Road to Argentina – Teil 2: Interview Südafrika

Andrew, Trainer der Faustball-Nationalmannschaft von Südafrika

Hallo Andrew, du bist der Trainer der Faustball-Nationalmannschaft von Südafrika. Eigentlich bist du aber gar kein gebürtiger Südafrikaner, sondern kommst eigentlich aus Simbabwe und lebst erst seit einigen Jahren in Südafrika, hast die Staatsbürgerschaft aber schon angenommen.

IFA: Wie lange gibt es Faustball in Südafrika denn schon und wie bist du dazu gekommen?

Andrew: Die Wahrheit über das Faustballteam Südafrika (die Mighty Galjoens) ist, dass wir auf sehr einsamer Position stehen. Der Sport kam das erste Mal vor etwas mehr als einem Jahr nach SA, wenn man ignoriert, dass Namibia bis 1994 technisch gesehen zu Südafrika gehört hat. In Südafrika ist vor allem Fußball der Volkssport, direkt gefolgt von Rugby und Cricket. Anderer Sportarten wie Volleyball oder Tennis werden weitgehend in Schulen und Vereinen betrieben, aber kein Mensch hat jemals von Faustball gehört.

Ich bin zwar nicht der Gründer von Faustball Südafrika, aber spiele seit letztem Jahr selbst und bin ebenso Mitglied des Verbandes. Ein Kollege von mir, Leif Peterson, hat FSA gegründet, zusammen mit ein paar weiteren „Gründungsspielern“, zumeist Freunde von Leif. Ich kam erst ein paar Monate später hinzu, weil ich erst meine Doktorarbeit beenden musste und zunächst keine Zeit hatte.

Die Geschichte von Faustball in SA begann mit einem Gespräch zwischen zwei Brüdern bei ein paar Bier vor ein paar Jahren. Da sich die beiden ihren 30ern näherten und beide Vollzeitjobs und Familien hatten, sprachen sie über ihren Kindheitstraum, irgendwann einmal ihr Land vertreten zu dürfen, wobei ihr Geburtsland allerdings Australien war. Ein Traum der anscheinend zu verblassen drohte. Leif war bereits Anfang der 1990er nach Südafrika ausgewandert und hatte durch die Hochzeit mit einer Einheimischen auch die Staatsbürgerschaft erhalten, sein Bruder jedoch blieb in Australien. Während sie diesen scheinbar verlorenen Traum diskutiert haben, sind sie zu dem Schluss gekommen, dass ihr eigentliches Problem darin bestand, dass es bei den „großen“ Sportarten einfach viele Tausend Bewerber auf wenige Plätze im Nationalteam gab. So kamen sie auf die Idee, dass wenn sie einen neuen Sport bringen würden, den man weder in Australien, noch in Südafrika kennt, sie vielleicht, aber nur vielleicht, eines Tages ihr Traum wahr werden könnte, die Farben ihrer Länder vertreten zu dürfen. Leifs Bruder stolperte zuerst über einen Sport, dass sogenannte Faustball, das vor allem in Europa und noch ein paar weiteren Ländern beliebt war. Also schnappte er sich ein paar seiner Freunde und gründete eine Liga.

Nach ein paar Monaten, die neue australische Liga erlangte die Aufmerksamkeit einiger Leute in Pakistan, und die Australier wurden 2014 nach dorthin eingeladen um ein paar Einlagespiele zu geben. Das war der Moment, in dem die beiden realisierten, dass Leifs Bruder jetzt ein aktueller, offizieller Nationalspieler war und dass ihre Möglichkeit sein könnte, also versuchte auch Leif in Südafrika das Interesse dafür zu wecken. Um sich nicht von seinem Bruder übertreffen lassen zu müssen, startete er in Südafrika ebenso eine Liga, indem er sich ein paar Freunde und Kollegen aus Kapstadt zusammensammelte.

Seit damals versucht der Verband die Sportart in SA bekannt zu machen. Am Anfang gründeten sich zunächst drei Teams: Mein Team aus Durban (die North Beach Knuckledusters), die Goldfisters aus Johannesburg und die Kaapse Fisters vom Westkap. Obwohl wir uns sehr darum bemühen, geht der Sport nach wie vor von Kapstadt aus und es wird seine Zeit und viel Unterstützung brauchen um diesen schönen Sport in ein so großes Land hinaus zu tragen. Bei unserem ersten Turnier im September 2014 nahmen genau diese drei Teams teil. Seitdem wächst das Interesse aber deutlich an und bei unserem nächsten im März waren es dann schon 5 Mannschaften. Wieder vier Monate später hatten wir die Möglichkeit ein Turnier in einem 40.000-Plätze-Stadion auszutragen. Hier hatten wir dann schon acht Mannschaften und ungefähr 100 Zuschauer. Eins der Teams, die Helderburg Hulks, haben sich spontan in einer Kleinstadt namens Somerset West gegründet, um zu zeigen, dass dieser Sport auch in anderen Gegenden funktionieren kann, auch ist zu sagen, dass es von Anfang an Mixed-Teams waren, wenn auch vornehmlich Männer. Es ist auch erfreulich, dass wie bereits einige Teenager haben, die mit Faustball begonnen haben und durchaus talentiert sind, auch wenn sie noch etwas zu jung sind. Wir sind auch sehr froh, dass wir Spieler aus allen gesellschaftlichen Gruppen und Ethnien haben, wie man auf dem Foto sehen kann, denn beispielsweise unser Rugby-Team muss immer wieder gegen Vorwürfe kämpfen, da es fast nur aus Weißen besteht.

IFA: Wie können wir uns Faustball in Südafrika vorstellen?

Andrew: Bevor ich den Rest deiner Fragen beantworte möchte ich noch sagen, dass wir einfach eine Truppe von Jungs sind, die sehr enthusiastisch für diesen Sport sind. Wir haben alle bereits andere Sportarten davor betrieben, aber wirklich fasziniert hat uns erst Faustball. Es ist absolut ansteckend. Es hat die perfekte Kombination aus Technik, Kraft, Teamwork, Strategie, Ausdauer und Spaß. Wir nennen es „Volleyball auf Steroide“.

Aber wir müssen mit den Basisdingen anfangen. Unsere Leine besteht aus zwei Vorzeltstangen von Campingbussen die mit einer Wäscheleine verbunden sind. Wir spielen in einem öffentlichen Park, wo wir öfters von den Wächtern nach unserer Genehmigung gefragt werden, oder eingesperrt werden weil wir zu lange geblieben sind. Der Boden ist sehr uneben und manchmal voller Hundehaufen. Passanten laufen öfters mitten durch unser Spielfeld, mitten während des Trainings. Du siehst also wir fangen wirklich an der Grasnarbe an.
Das bringt mich zu meiner Rolle – dem Trainer. Die Wahrheit ist, dass ich nicht wirklich ein Trainer bin. Ich wurde vom Verband gefragt, ob ich diese Rolle übernehmen würde, obwohl wir nur eine Truppe engagierter, leidenschaftlicher Jungs sind, die versuchen diesen Sport zu lernen indem sie YouTube-Videos von den deutschen Mannschaften anschauen und dann den anderen Tipps geben bezüglich Strategie, Technik oder ähnlichem. Wir waren wirklich Ballklopfer, die keine Ahnung von dem Sport haben bis im Januar Michael Baas aus Namibia zu Besuch kam, der mit der Nationalmannschaft schon 3 Weltmeisterschaften gespielt hatte. Er war wie ein Faustballgott der für einen Nachmittag vom Himmel gefallen ist. Das meiste was wir heute wissen, hat er uns in dieser einen Einheit beigebracht. Davor haben wir noch sehr viel Falsch gemacht, aber er hat uns beigebracht wie Angaben oder Zuspiele gehen. Dann ging er wieder und ließ uns zurück um uns selbst nach seinem Vorbild zu formen.

Tatsache ist, dass wir Videos anschauen und versuchen dem anderen zu helfen. Es gibt zwar ein paar die noch ehrgeiziger als die anderen sind und versuchen sie zu coachen, aber dann habe ich mich verletzt und war für ein paar Wochen spielunfähig. Also habe ich in der Zeit die Trainingsspiele als Schiedsrichter geleitet und habe mir Notizen gemacht, die ich dann den Jungs vom Nationalteam gezeigt habe. Wir haben uns Videos von Spielen der Deutschen angeschaut und über Strategie und Technik der Jungs geredet. Das ist im Grunde das einzige weshalb ich als „Trainer“ bezeichnet werden kann. Ansonsten bin ich ein normaler Spieler, wobei ich schon immer Interesse an Theorie und Taktik hatte, bei jedem Sport den ich betrieben habe.

IFA: Ihr seid nicht das einzige Team das zum ersten Mal an einer WM teilnimmt (wenn man eure Teilnahme als Südwestafrika in Schweinfurt 1972 nicht mitzählt). Wie schätzt du eure Chancen gegen die anderen Neulinge ein?

Andrew: Unser Ziel ist es die Mannschaft von Leifs Bruder, Australien, zu besiegen. Das hat auch etwas mit Geschwisterrivalität zu tun. Wir wollen außerdem mit den anderen kleineren Teams konkurrieren und erhobenen Hauptes spielen. Wir haben Filmmaterial von der Weltmeisterschaft 2011 gesehen und, ehrlich gesagt, unsere Art zu spielen ist nicht so weit von einigen Teams entfernt die dort gespielt haben, wie Serbien oder die USA. Ich denke wir können es mit diesen Teams aufnehmen. Da wir uns alle selbst beibringen haben wir ein paar Überraschungen zu bieten, die wir im Training perfektionieren. Wir hoffen, dass wir uns gegen zumindest zwei Teams durchsetzen können, aber wir müssen auch realistisch sein: Ich kenne die Jungs und für uns alle ist es ein Privileg die Farben Südafrikas vertreten zu dürfen, dafür werden wir alles tun, wobei uns die meisten Mannschaften doch einiges voraushaben.

IFA: Der Faustball in SA ist noch sehr jung. Wie ist das öffentliche Interesse? Ist es einfach Sponsoren zu finden, und wie werdet ihr eure Reise nach Argentinien finanzieren?

Andrew: Was Sponsoren und Unterstützung angeht, ist es nicht einfach. Wir haben bei sehr vielen Firmen nach Unterstützung für die Liga und die Reise nach Argentinien angefragt. Wir hoffen sehr, dass unsere Aufmerksamkeit im Rahmen der Weltmeisterschaft uns für Unterstützung attraktiver macht, aber es ist wirklich schwer Firmen klar zu machen, was wir da eigentlich tun. Wir hoffen ein paar Hauptsponsoren finden zu können, die bereits leises Interesse angedeutet haben. Aber diese Herausforderung wird uns so oder so nicht davon abhalten diesen Sport in Südafrika weiterzuentwickeln.

IFA: Werden euch Fans nach Cordoba begleiten?

Andrew: Die gleichen Hürden gelten auch für die Zuschauer. Es werden wohl ein paar mit dem Team kommen, aber um ehrlich zu sein, sie werden mit eingebunden werden müssen und uns etwas helfen, weil wir mit einer relativ kleinen Delegation kommen werden.

IFA: Erzähl uns etwas über die Größe von Faustball in Südafrika. Wie ist es organisiert und aus wie vielen Mannschaften setzt sich die Nationalmannschaft zusammen?

Andrew: Faustball Südafrika, was eine gänzlich freiwillige Non-Profit-Organisation nach Südafrikanischem Recht ist, organisiert den Sport und trägt die Verantwortung für die Zusammenarbeit von Liga, Turnieren, der Öffentlichkeitsarbeit und der Nationalmannschaft. Die Größe dieser Auswahl ist begrenzt, da wir es uns nicht leisten können ein großes Kontingent zu schicken. Es werden zwei Spieler von den Kaapse Fisters, drei von den Goldfisters und zwei von den North Beach Knuckledusters mitkommen. Es gibt noch mehr talentierte Spieler, die jedoch nicht mitkommen können, da sie nicht so lange von der Arbeit weg können oder sich die Kosten für die Reise nicht aufbringen können. So wurde die Entscheidung gefällt, dass diejenigen, die sowohl Zeit als auch Kosten tragen können auch die Chance bekommen werden nach Argentinien zu reisen. Auch in meinem Fall, kann ich mir weder die Zeit noch die Kosten der Reise aufbringen, weswegen ich das Team nicht begleiten können werde. Nächstes Jahr planen wir nach Namibia zu reisen, und hoffentlich diejenigen, die diesmal nicht dabei sein können, einsetzen zu können. Es ist eher das Begehren jedem, der sich engagiert die Chance geben zu wollen, mehr – zumindest jetzt noch – als denjenigen, die vielleicht die besseren Spieler wären, Südafrika zu repräsentieren.

IFA: Die Galjoens haben Patrick Thomas und die Deutschen herausgefordert. Wie kam es zu der Idee? Habt ihr einen Masterplan um die Deutschen zu besiegen?

Andrew: Klar, dass Deutschland oder eins der anderen Favoritenteams schlagen zu wollen, ein sehr langfristiges Ziel ist. Also warum haben wir Patrick Thomas und Deutschland herausgefordert? Wie er selbst auch gemerkt hat, haben wir diese „Crowd-Funding“-Kampagne am Laufen und wir wollen unsere Bekanntheit erhöhen um unseren Traum zu verwirklichen und in Argentinien spielen zu können. Also haben wir uns entschieden ein paar lustige Videos zu drehen die die Aufmerksamkeit von Faustball und den Galjoens erhöhen. Uns wurde sehr großzügig einige Bälle Von Roger Willen und der IFA gespendet, darunter auch ein paar originaler Matchbälle für Argentinien. Auf diesen war die Unterschrift von Patrick Thomas, wodurch wir gemerkt haben, dass er ein großes Tier im Weltfaustball sein muss.

Wir haben auf YouTube ein Video von ihm gesehen, wo er ein Interview gibt und seinen furchteinflößenden Aufschlag demonstriert. Er ist wirklich ein außergewöhnlicher Spieler mit seiner Höhe, Kraft, Genauigkeit etc. Unsere „Challenge“ war also mehr Selbstironie. Als würde eine Fußballmannschaft aus Simbabwe die deutsche Nationalmannschaft herausfordern mit ihren ihren besten Spielern. Verblüfft waren wir, dass er geantwortet hat. Das war wirklich cool. Es war für uns als hätte Bastian Schweinsteiger uns persönlich geantwortet. Das haben wir sehr geschätzt. Wir haben natürlich den größten Respekt vor der deutschen Mannschaft und hoffen, dass wir sie auch abseits des Feldes treffen werden, um bei ein paar Drinks vielleicht den ein oder anderen Faustball-Tipp abstauben zu können.

Unser Masterplan Deutschland zu besiegen, muss also warten. Die Jungs spielen das einfach schon viel zu lange. Fürs Erste haben wir einen masterplan, wie wir Australien besiegen.
Wir hoffen ein bisschen die Cool Runnings Story des Faustballs werden zu können, also hoffen wir alle gemeinsam, dass genügend Geld zusammen kommt um das Team nach Südamerika zu bekommen.

Ok vielen Dank für deine Antworten Andrew, und hoffentlich schafft ihr es bis Argentinien!!

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